STADTTFINDEN — EIN FESTIVAL ALS VERSUCHSANORDNUNG

Nominierung / kommunikative Stadtgestaltung

Beschreibung

Leipzig befindet sich in einer Phase starker Veränderung. Die Stadt hat eine kaum vergleichbare Entwicklung von extremer Schrumpfung hin zu extremem Wachstum als die derzeit am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands erfahren. Leipzig muss sich der Frage stellen, wie die Herausforderungen, Risiken und Chancen einer sich verdichtenden Stadt gelöst werden können. Um dieses Phänomen zu beleuchten, entstand die Idee zu einem künstlerisch-urbanistischen Festival. Das Festival Stadttfinden erprobte im September 2017 das Konzept interdisziplinären, kooperativen und experimentellen Arbeitens im thematischen Spannungsfeld der wachsenden Stadt auf dem Gelände der ehemaligen Glasfabrik in Leutzsch. Der Festivalort diente dabei als Laborraum und war zugleich selbst Gegenstand des Nachdenkens.

Ziel

Kernidee war eine breit gefächerte Auseinandersetzung mit der wachsenden Stadt und möglichen partizipatorischen Prozessen der Stadtentwicklung. Das zehntägige Festival gliederte sich inhaltlich in zwei Teile: das LAB und die Workshops, ergänzt durch ein kulturelles und kulinarisches Rahmenprogramm. Das Festival versammelte lokale, nationale und internationale Akteur*innen, die eingeladen waren, in Workshops, Vorträgen und künstlerischen Interventionen über die Idee einer »Stadt der Ko-Produktion« nachzudenken, diese experimentell zu erproben und zu präsentieren. Die unterschiedlichen Formate und künstlerischen Positionen sollten dabei eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen — von beruflich mit dem Thema Befassten über Anwohner*innen bis hin zu weiteren Interessierten.

Herausforderungen

Anstoß des Festivals war die Idee die leerstehende Fabrik (in Kooperation mit den Eigentümern) wieder einer Nutzung zuzuführen und in Leipzig einen Laborraum für die Themen Urbanismus, Kunst und Ökologie zu schaffen. So öffnete das Festival den Raum für eine experimentelle Erprobung und Perspektive dieser Idee in den Räumen der Glasfabrik. Ebenso war es der Versuch, ein interdisziplinäres Festival als Werkzeug für den Diskurs um die wachsende Stadt zu nutzen - auf künstlerischer und stadtpolitischer Ebene jenseits von Veranstaltungen durch die Stadtverwaltung. Das Festival setzte diese Vision für 10 Tage mit über 50 interdisziplinären Akteur*innen und vielen Besucher*innen um. Aktuell ist jedoch weiter offen, wie und durch wen die neuen Nutzungen in der Glasfabrik verortet werden können.

Kooperationen

Initiatoren des Festivals waren die Leipziger Vereine D21 Kunstraum Leipzig e. V. und Octagon – Raum für Architektur und Urbanes e. V., die gemeinsam mit weiteren Kulturschaffenden das Festivalkonzept entwickelten. Im kuratorischen Konzept flossen Expertise im Bereich Architektur und Stadtplanung mit dem Wissen der Kunstvermittlung und Kuration zusammen. Die theoretische und perzeptive Art sich dem Thema anzunähern schuf Anknüpfungspunkte für verschiedenste Perspektiven. Im Rahmen des LAB waren über einen Open Call interdisziplinär agierende Projektteams eingeladen Projekte zum Phänomen der wachsenden Stadt vor Ort umzusetzen. Das Spektrum reichte von empirisch-technischen Ansätzen über experimentell-ästethische Herangehensweisen bis zu künstlerisch forschenden Arbeiten.

Mehrwert

Das Zusammenspiel verschiedener Akteur*innen und Disziplinen bot einen Zugang zum Thema der wachsenden Stadt auf verschiedenen Ebenen. So wurden Beteiligte mit unterschiedlichen Perspektiven, Hintergründen und Prägungen auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch gebracht. Das Festival verstand sich dabei als Plattform zur Verhandlung unterschiedliche Bedürfnisse. Der Charakter des Festivals war zugleich Taktik zur niedrigschwelligen Vermittlung einer komplexen Thematik. Formate wie die künstlerische Projekte, gemeinsame Dinner und Filmabende ermöglichten eine weitgespannte inhaltliche, aber auch sinnliche und emotionale Auseinandersetzung und das Entstehen einer temporären Gemeinschaft vor Ort, welche auch Nachbar*innen einlud sich zu informieren, Fragen zu stellen oder aktiv teilzuhaben.

Besonderheit

Das Festival war ein Experiment um auf interventionistische, temporäre und reversible Art und Weise die konkrete räumliche, thematische sowie kollaborative Nutzungsperspektive des Ortes zu erproben und Erkenntnisse zur Realisierungsfähigkeit des Projektes zur erlangen. Das LAB bot den Rahmen für konkretes, experimentelles Arbeiten, in den Workshops wurde praktisches und theoretisches Wissen geteilt und aktuelle Diskurse als Impulse in die Leipziger Debatte eingebracht. Das Festival erweiterte kurzzeitig die kulturelle Landschaft von Leutzsch, lud Anwohner*innen ein, ihr Umfeld mitzugestalten und initiierte einen Austausch zwischen Praktiker*innen, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen.