BOB CAMPUS

1. Platz / Urbanes Flächenrecycling

Beschreibung

Aus einer ehemaligen Textilfabrik ist nach dem Initialkapital-Prinzip der Montag Stiftung Urbane Räume ein Ort der Bildung und Arbeit, des Wohnens und der Gemeinschaft entstanden. Der BOB CAMPUS in Wuppertal Oberbarmen besteht aus einer Fabrikhalle, historischen Shedhallen und zwei Wohnhäusern aus der Gründerzeit. Er beheimatet auf 5.500 m² Nutzfläche einen Nutzungsmix aus einer Kita, Räumen für den Offenen Ganztag, Fachräumen für Kunst und Werken für die benachbarte Realschule, modernen Büroräumen, einer Nachbarschaftsetage mit Stadtteilbibliothek und Viertelsküche und elf Wohnungen. Hinzu kommt ein ca. 4.500 m² großer Nachbarschaftspark für den Stadtteil mit direktem Zugang zur Nordbahntrasse. Das schafft Synergien, Begegnungsmöglichkeiten und Chancen für die Menschen im Stadtteil.

Ziel

Der BOB CAMPUS soll einen wirksamen und dauerhaften Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Stadtteil leisten: innovative Bildungsangebote, neue Arbeitsplätze, Raum für Begegnung im Ankommensquartier Oberbarmen, neue Verbindungswege im Stadtteil. Ein verschlossenes, abweisendes Areal, das im lokalen Gedächtnis seit der Insolvenz des Textilunternehmens 2012 auch für den Niedergang der Textilindustrie und den Wegfall von Arbeitsplätzen stand, soll als neuer Identifikationsort zurück ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft treten. In einem Entwicklungsprozess, der sowohl auf Koproduktion als auch auf gestalterischer und technischer Expertise basiert, sollte historische Bausubstanz genutzt und bewahrt und in ein tragfähiges Bild von Zukunft transformiert werden.

Herausforderungen

Das Areal der ehemaligen Textilfabrik stellte hohe Anforderungen an ein nachhaltiges Flächenrecycling. Dies betraf die Topographie mit 20 Metern Höhenunterschied, den Stahlskelettbau aus den 1970er Jahren mit großer Raumtiefe und schlechter Belichtung, die Belastung von Teilen des Geländes bzw. der Bausubstanz mit Altlasten, dem fortschreitenden Verfall der Gebäude u.a. mit Schwammbefall in den Dachstühlen der Gründerzeithäuser, dem Fehlen technischer Infrastruktur und der erforderlichen energetischen Ertüchtigung aller Bauteile aus den verschiedenen Zeitepochen. Die Sanierung sollte durch einen wertschätzenden Umgang mit der Industriegeschichte und mit der bestehenden Bausubstanz sowie durch eine zukunftsweisende, selbstbewusste Signalwirkung in den Stadtteil gekennzeichnet sein.

Kooperationen

Die kooperative Planung mit einer Reihe von Planungswerkstätten, mittels eines „Mitmach-Architekturmodells“ und strukturierten Planungsverfahren (Phase 0) mit den frühzeitig feststehenden Ankermietern Kita und Schule erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro raumwerk.architekten. In Kooperation mit dem Jobcenter und der GBA Gesellschaft für berufliche Aus- und Weiterbildung haben viele Menschen im Rahmen einer Beschäftigungsförderung ihre Kompetenzen erweitert und sind so zu Koproduzent*innen des BOB CAMPUS geworden. Viele Details der gründerzeitlichen Wohnhäuser, z.B. Türen und Treppenläufe, konnten dadurch behutsam aufgearbeitet werden. Der Bau sowie die künftige Pflege und Instandhaltung des Nachbarschaftsparks erfolgt in enger Kooperation mit der Stadt Wuppertal.

Mehrwert

Der BOB CAMPUS bringt Menschen zusammen, die sonst wenig Berührungspunkte miteinander hätten: Nutzungsvielfalt als Chance für Austausch, Teilhabe und demokratische Aushandlungsprozesse. Viele Menschen haben den Campus aktiv mitgestaltet, viele weitere können ihn in Zukunft weiterentwickeln. Die Architektur setzt bewusst auf Möglichkeiten der Begegnung und des Sharings bzw. der Mehrfachnutzung von Räumen. Die neue, teilweise barrierefreie Durchquerung des Areals eröffnet neue Wegeverbindungen im Stadtteil. Gehbeeinträchtigte Menschen aus dem Stadtteil können die neuen Außenaufzüge nutzen. Die aus der Vermietung generierten Überschüsse stehen als dauerhafte Stadtteilrendite für gemeinnützige Projekte und Maßnahmen auf dem BOB CAMPUS und im Stadtteil zur Verfügung.

Besonderheit

Für die außergewöhnliche Nutzungsmischung entwickelten Architekten und Bauherrin in Kooperation mit Qualifizierungsträgern kreative und moderne Räume aus der bestehenden Gebäudestruktur. Dabei wurden innovative Lösungen gefunden, wie der Einsatz der vorgehängten Polycarbonatfassade, die Licht in die tiefen Räume bringt und gleichzeitig die warme Luft der Sonnenseite in die kälteren Raumbereiche. Die transparente Fassade und das gelbe Streckmetall im Eingangsbereich signalisieren Offenheit und Selbstbewusstsein. Aus Privatbesitz entstand nach dem Initialkapital-Prinzip ein neuartiger Raum der Stadtteilgesellschaft, der Chancen schafft und die Geschichte des Viertels als ehemaliger Standort der Textilindustrie, ihres Verfalls und ihrer Transformation erzählt.