Alte Mälzerei Lichtenrade

2. Platz / Urbanes Flächenrecycling

Beschreibung

Die Alte Mälzerei wurde 1897/98 im Stil der norddeutschen Neorenaissance im Auftrag der Schloßbrauerei Schöneberg erbaut. Nach 30 Jahren des Betriebs wurde die Produktion des für das Bierbrauen notwendige Malz eingestellt und das Gebäude bis 2015 als Lagerhaus genutzt. Eine aktive Bürgerschaft setzte sich für den Schutz des Industriegebäudes ein, das 1984 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Vor der Sanierung lud der heutige Eigentümer Thomas Bestgen die Bürgerschaft zu unterschiedlichen Beteiligungsformaten, um mit ihnen die Bedarfe im kulturell unterversorgten Stadtteil Lichtenrade zu identifizieren. Gleichzeitig bemühte sich der Eigentümer um den Ankauf der umgebenden Grundstücke von einer zerstrittenen Erbengemeinschaft, um die Alte Mälzerei in ein neues Stadtquartier einzubetten.

Ziel

Die Alte Mälzerei ist ein “Projekt im Projekt”: Alte Bausubstanz sollte transformiert und als Begegnungs- und Kulturstätte im Kiez verankert werden. Um sie herum entsteht z.Z. ein neues, sozial gemischtes Wohnquartier. Seit 2021 finden sich auf sechs Etagen vielfältige Bildungs- und Kulturangebote. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat 60 % der Flächen angemietet und ein Kindermuseum, Musikschule, VHS mit Lehrküche und Berlins modernste Stadtteilbibliothek eröffnet. In diese haben die Eigentümer der Alten Mälzerei das Malzcafé integriert. Auch sind eine Büroetage, ein Zentrum für Rehasport und kleinere Mietflächen entstanden. Der multifunktionale Allmenderaum steht allen im Kiez zur Verfügung. Schon heute – trotz reduzierter Öffnung - besuchen ca. 1.000 Menschen täglich die Alte Mälzerei.

Herausforderungen

Die Alte Mälzerei ist eine Schlüsselimmobilie, die trotz ihrem großen Flächenpotenzial 90 Jahre leer stand. Eine Umnutzung gestaltete sich aufgrund von 7% Fensterfläche, Deckenhöhen von 1,5 m und Auflagen des Denkmalschutzes fast unmöglich, Anwohnerproteste verhinderten erfolgreich eine Shoppingmall. Lichtenrade stand Jahrzehnte lang nicht im Fokus der kommunalen Stadtentwicklung. Die Umgebung der Alten Mälzerei ist geprägt durch eine unkoordinierte, zweckmäßige Bebauung aus den 1960er und 1970er Jahren sowie Eigenheimen. Die unmittelbar an die Alte Mälzerei angrenzende Bahnhofstraße wird bis heute ihrer Zentrumsfunktion nicht gerecht, daher ist der Bedarf an attraktiven Freizeit-, Kultur- und Aufenthaltsangeboten hoch. Hier knüpft die Alte Mälzerei an und setzt gezielte Akzente. 

Kooperationen

Durch mutiges Handeln über Grenzen hinweg einigten sich Eigentümer, Bezirksverwaltung und Denkmalbehörden auf gemeinsame Ziele: respektvoll mit dem Gebäude umzugehen und einen Ort der Begegnung in hoher Qualität zu schaffen. Trotz der teils unterschiedlichen Herangehensweise von öffentlicher Hand und privatem Eigentümer ist es gelungen, das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, Hindernisse zu überwinden und das Projekt gemeinsam erfolgreich zu beenden. Das Förderprogramm “Aktive Zentren” stellte finanzielle Mittel bereit, um Beteiligungsprozesse zu unterstützen und Ausbauwünsche des Bezirks zu ermöglichen. Denn aus einer anfänglichen bezirklichen Nutzungsidee für eine kleine Teilfläche entwickelte sich ein stattliches Angebot.

Mehrwert

Die Alte Mälzerei ist das kulturelle Zentrum des derzeit entstehenden Stadtquartiers „Lichtenrader Revier“ mit vier Neubauten und 200 Wohneinheiten. Ihre kuratierten, niederschwelligen Angebote richten sich an alle Menschen im Bezirk. Das Malzcafé, der von einem Bürgerverein betriebene Allmenderaum und Büroflächen zu bezahlbaren Gewerbemieten treffen auf eine hohe Nachfrage. Die markante Silhouette der Alten Mälzerei ist identitätsstiftend für den Stadtteil und wirkt in ihn hinein. Lichtenrade verfügt über keine über den Bezirk hinaus strahlenden Leuchtturmangebote. Durch die Zugänglichkeit des Gebäudes, der für alle erlebbaren Geschichte und den vielfältigen Veranstaltungen mutiert die Alte Mälzerei zu einem neuen Zentrum für Lichtenrade und ist Anziehungspunkt auch aus anderen Bezirken.

Besonderheit

Die Alte Mälzerei als Herzstück des urbanen Quartiers ist eine Blaupause für neues Denken in der Projektentwicklung. Sie ist Beweis, dass die private Hand unter Einbeziehung öffentlicher Einrichtungen eine Nutzung mit hoher Qualität und Mehrwert schaffen kann, die der Bevölkerung zugutekommt.  Die Alte Mälzerei steht für die Evolution eines von der kommunalen Stadtentwicklung vernachlässigten Stadtteils. Sie hat die Kraft, Akteure zusammenzubringen. Die frühzeitige Einbindung von interessierten Bürgern sowie Kooperationspartnern durch die Eigentümer führte zu einer breiten Akzeptanz des Nutzungskonzeptes und bildet den Grundstein für die neue Nachbarschaft. Denn die zukünftigen Bewohner bringen sich schon jetzt ein als “Wohntisch” und werden das nachbarschaftliche Leben mitprägen.