Bliesterrassen Neunkirchen

Nominierung / lebenswerter Freiraum

Beschreibung

Die Kreisstadt Neunkirchen im Saarland ist erheblich vom Strukturwandel der Schwer- und Montanindustrie betroffen. Durch einen Wechsel in der Verwaltung erkannte man die Potentiale öffentlicher Räume in der Innenstadt. Das Projekt BLIESTERRASSEN wurde in das Programm „City Nord“ eingebettet, in dem neben öffentlichen Projekten im Städtebau, Freiraum und Verkehrsberuhigung auch private Investitionen gefördert wurden. Das konzeptionelle Rückgrat ist der Fluss - die BLIES. Im Stadtbild kaum sichtbar und noch weniger erlebbar, fristete der Fluss über Jahrzehnte sein Dasein zwischen Überbauung und Begradigungen. In einer Streitschrift von 1955 ist zu lesen: „Die Blies ist auf dieser Strecke kein Fluss mehr, […] und man darf hoffen, dass es der Technik einmal gelingt, hier klärend zu wirken.“

Ziel

Die Blies ist auch ohne den Einsatz von Stadtplanern und Landschaftsarchitekten ein vielfältiges und lebendiges Fließgewässer, jedoch ohne nennenswerte Freiraumqualität. Die Herausforderung und das Ziel bestanden darin, der Bevölkerung den Wert, die Potenziale und die Qualitäten eines innerstädtischen Flussraumes zu vermitteln, wenngleich sich die wenigen Zugangsbereiche zur Blies als „Unorte“ in den Köpfen eingebrannt hatten. „Lasst uns mutiger und freier denken“, war einer der Sätze die von Beginn an den teilweise auch beschwerlichen Prozess intensiver Bürgerinformation prägte. Die Überzeugungsarbeit und das Werben für das Werteverständnis der Baukultur, waren entscheidende Faktoren um die Bürgerinnen und Bürger auf Ihrem Weg zur Wiederentdeckung stadträumlicher Qualitäten zu begleiten.

Herausforderungen

Seit den 80er Jahre hatte sich die Stadtentwicklung in Neunkirchen primär auf Konversionsflächen und die Umsetzung eines großflächigen Shopping-Mall-Konzeptes konzentriert. Öffentliche Räume wurden vernachlässigt oder sich selbst überlassen. Die Blies als längster Fluss des Saarlandes galt als der miefige Industrie- und Abwasserkanal der Stadt. Insofern bestand die größte Herausforderung darin, den Identitätsprozess zur Wiederentdeckung erlebbarer Freiräume zu gestalten. Durch die kulturelle Leitbildentwicklung der Stadt war es möglich die wiedergewonnen öffentlichen Räume entlang der Blies auch als Schmelztiegel der Kultur, Kommunikation und Kreativität zu interpretieren. Aus einem Unort wurde eine Bühne am Wasser, aus einem begradigten Flusslauf wurde ein vielfältiges Habitat für Fauna.

Kooperationen

Neben dem stets bürgernahen Planungsprozess ist vor allen Dingen die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen Professionen von Städtebau bis Landschaftsarchitektur und von der Lichtplanung bis zu den ingenieurbiologischen Bauweisen zu nennen. Trotz der komplexen Fördermittelstrukturen auf europäischer Ebene und der Anforderungen an eine integrale Planung, war die inhaltliche Zusammenarbeit sowohl mit Fachplanern als auch den Vertretern des saarländischen Innenministeriums stets von Vertrauen und Transparenz geprägt. Dies trug wesentlich zum Projekterfolg bei, welches sowohl im Zeit- als auch im Kostenrahmen blieb. Erwähnenswert ist zudem der parteiübergreifende Konsens in den städtischen Gremien und das einvernehmliche Bekenntnis der Politik zum Planungsprozess und dessen Umsetzung.

Mehrwert

Insbesondere die Neunkircher Kulturgesellschaft hat die entstandenen Räume als bespielbaren Veranstaltungsort erkannt und das jährlich stattfindende Stadtfest an die beiden Uferseiten der Blies verlegt. Die sogenannten „Bliestage“ nutzen das vis-à-vis der Ufer für kulturelle Darbietungen. Des Weiteren wurde der City-Sommer mit wöchentlich stattfindenden Musikveranstaltungen an den Bliesterrassen aufgeführt. Das Projekt steht insofern für eine verantwortungsvolle Planungskultur im menschlichen Maßstab, dessen Freiräume durch den Erlebnis- und Informationsgehalt gestärkt werden und die als Bereicherung für das kulturelle und soziale Selbstverständnis des Ortes, seiner Besucher und Bewohner interpretiert werden.

Besonderheit

Von Beginn an war die interdisziplinäre Zusammenarbeit wesentlicher Grundgedanke der Bliesterrassen. Das Großprojekt der Neunkircher Innenstadt sollte nicht nur stadtstrukturelle und gestalterische Potenziale aufgreifen, sondern auch mit erkennbar funktionalem Mehrwert eine Aufwertung bewirken. So wurde durch die Umgestaltung des Flussufers wichtiger Retentionsraum zur Lösung der Hochwasserproblematik der angrenzenden Bebauung geschaffen. Mit detaillierten hydraulischen Berechnungen wurde die Linienführung immer wieder optimiert, so dass die Strömungskräfte der regelmäßigen Hochwasserlagen gelenkt und überdauert werden. Material und Bauweise wurden so gewählt, dass die gesamte Anlage im Hochwasserfall schadlos überspült werden kann, sich dabei aber als hochwertiger Stadtraum präsentiert.